2019 – HEIDELBERGER FORUM GESCHÄFTSBERICHTE
Das System Geschäftsbericht im Wandel
Die Digitalisierung des Reportings schreitet voran, gleichzeitig genießt der gedruckte Geschäftsbericht nach wie vor Aufmerksamkeit. In jeder Veränderung steckt auch eine Chance. Wie können Unternehmen ihren Reporting Content angemessen in den einzelnen medialen Ausprägungen kommunizieren? Diesen Fragen stellte sich das 12. Heidelberger Forum Geschäftsberichte.
Print oder PDF? HTML oder VR / AR? Mobile APP oder Social Media? Pull Reporting oder Push Reporting? In ihrer Eröffnungsrede zum 12. Heidelberger Forum Geschäftsberichte stellte die Veranstalterin, Prof. Gisela Grosse, die Themen des diesjährigen Forums vor. Als das CCI vor fünf Jahren erstmals Ergebnisse › zur ›Intermedialität der Berichterstattung‹ veröffentlichte, wurde noch unterschätzt, wie rasant das Corporate Reporting über digitale Medien Fahrt aufnehmen würde. Heute stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, ihren Reporting Content digital angemessen zu kommunizieren. Was ist analog, was ist online angemessen und für welche Inhalte und Anspruchsgruppen sollen ›Social Media‹-Plattformen genutzt werden? Zwei Tage lang ging das HFG diesen Fragen nach, den Teilnehmer*innen standen hochrangige Vorträge aus Praxis und Wissenschaft bevor, wobei der offene Erfahrungsaustausch dazu beitrug, sich den Antworten diskursiv zu nähern.
Tag 1: ›Change / Chance‹
Corporate Reporting
Traditionell eröffnete Prof. Gisela Grosse die Vortragsrunde mit der ›Visuellen Bilanz‹. Zunächst stellte sie das integrierte Bewertungssystem vor, das gleichermaßen die kommunikative und gestalterische Qualität des Print-, PDF- und Online-Geschäftsberichts sowie die Geschäftsberichts-App bewertet. Darüber hinaus würde die jeweilige medienspezifische Aufbereitung bewertet.
Danach präsentierte sie die Ergebnisse und Best-Practice-Beispiele aus der Analyse ›Corporate Reporting – Die besten Geschäftsberichte 2019‹. Erstmalig in der Geschichte des Wettbewerbs haben für 2018 nur noch 22 der 30 DAX-Unternehmen einen Print-Geschäftsbericht vorgelegt. 17 Unternehmen veröffentlichten ihren Geschäftsbericht als Onlinebericht, während die Veröffentlichungsquote des PDFs bei 100 % lag. Ernüchternd sei, mit welch mangelhafter Qualität viele veröffentlichte PDFs bearbeitet sind. Nur rund ein Drittel der Berichte im DAX 30 genüge überhaupt den medienspezifischen Anforderungen des jeweiligen Mediums, in dem sie veröffentlicht werden. Diese erschütternde Bilanz wird der Bedeutung des Geschäftsberichts als Leitmedium in der Unternehmenskommunikation nicht gerecht. Grosse gab zu bedenken, dass der Content der Berichterstattung – der mit großem internem Aufwand produziert und abgestimmt sei, extern geprüft und objektiviert ist – ohne eine zielgerichtete Distribution in den Medien verpuffe. Die nachlässige visuelle Übersetzung der Inhalte entfalte keine Wirkung.
Selbstverständlich gäbe es auch Unternehmen, die den Medienmix mit Bravour meisterten. Anhand von adidas, BASF, BMW, Daimler, DPDHL, Fresenius Medical Care, Merck und Bayer stellte Prof. Grosse vor, wie sich die DAX-Konzerne in den verschiedenen Medien positiv präsentieren. Mit konkreten Beispielen zur Navigation, zur Lesbarkeit, zur Bildsprache, zur Informationsgrafik und zu Film und Animation verdeutlichte sie die Dos and Don’ts guter Kommunikation und Gestaltung.
Die Bewertung der inhaltlichen Qualität von Geschäftsberichten
Es muss immer wieder gesagt werden: Eine gute kommunikative und visuelle Qualität in der Finanzkommunikation verbessert nachweislich die Wahrnehmung und Transparenz der Berichterstattung. Sie stützt die Inhalte, wirkt nachhaltig und trägt so zur Glaubwürdigkeit der Unternehmen bei. Dies sei als Abgrenzung zu einem diffusen und unprofessionellen Design-Verständnis verstanden, das Gestaltung als schmückendes oder gar verschleierndes Beiwerk sieht.
Eine gute Berichterstattung setzt inhaltliche Qualität voraus. Zu diesem Thema berichtete Prof. Dr. Henning Zülch in seinem Vortrag zu den Ergebnissen des Wettbewerbs Investors Darling, der die Finanzkommunikation von 160 Aktien-Unternehmen inhaltlich bewertet. Für die inhaltliche Bewertung hat Prof. Zülch mit seinem Team das RIC-Modell entwickelt, das außer dem traditionellen Reporting (jährliche und unterjährige Berichterstattung) auch Investor Relations (IR-Präsentationen sowie die Digitale Kommunikation) und Capital Markets (Aktienperformance und Wahrnehmung durch Analysten) im Sinne einer integrierten Betrachtung einbindet. Die Kriterien des Bewertungsmodells decken damit sowohl die Sender- als auch die Empfängerperspektive der Kapitalmarktkommunikation ab. Das Modell hat zudem den Vorteil, dass Themenfelder, die aktuelle Herausforderungen für Unternehmen darstellen – das sind derzeit die Strategie- und Nachhaltigkeitsberichtserstattung (z. B. CSR-RUG) sowie die Digitalisierung – umfassend berücksichtigt sind. Dies gelte auch unabhängig von der im Plenum aufgekommenen Frage, inwieweit die ›Aktienperformance‹ ein geeigneter Maßstab für die Qualität der Finanzkommunikation sein kann. Hierzu sei angemerkt, dass Einzelaspekte der inhaltlichen Bewertung, deren Relevanz aus Sicht der Unternehmen nicht gegeben ist, bei Bedarf auch unbeachtet bleiben können. Dies stellt die Bewertungsmethodik nicht grundsätzlich infrage.
Aus der inhaltlichen Bewertung der Berichtssaison 2018 geht Vonovia als Gesamtsieger hervor. Der Spitzenplatz begründe sich letztendlich durch die Aktienperformance. In der Dimension Investor Relations erreicht Vonovia im Ranking der DAX 30-Unternehmen den Platz 6 und im Reporting den Platz 8. Zum Vergleich, in der Visuellen Bilanz erzielte Vonovia gute Standardwerte und liegt auf Platz 10. In der Gestaltungsqualität hat der Spitzenreiter durchaus noch etwas Luft nach oben.
In der nichtfinanziellen und prospektiven Berichterstattung setzt sich der DAX 30 klar von den anderen Indizes ab. In der Risikoberichterstattung berichten die meisten Unternehmen über Eintrittswahrscheinlichkeiten und finanzielle Auswirkungen von Risiken. In der Prognoseberichterstattung bleiben Vergleiche von vergangenen Prognosewerten mit aktuellen Istwerten ausbaufähig. Im Strategiebericht sind Angaben zu internen Steuerungssystemen und zur Kontrolle eigener strategischer Ziele weiterhin defizitär. Als wichtige Stellhebel in der Kapitalmarktkommunikation empfiehlt Prof. Zülch die Herausstellung positiver Entwicklungen der Unternehmen mit Angaben zu Eintrittswahrscheinlichkeiten und finanziellen Auswirkungen, umfassende Prognosen, wie sich die Branchensituation und die finanziellen Kennzahlen ihrer Berichtssegmente entwickeln werden, auch mit Vergleich von Vorjahres-Prognosen mit erreichten Istwerten sowie die Verbesserung des Angebots prospektiver Informationen. Auch die Erläuterung nicht erreichter Ziele und Benchmarks wirke vertrauensbildend.
Bye Bye Heidelberger Forum Geschäftsberichte
Am späten Nachmittag bot sich den Teilnehmer*innen eine kurze Verschnaufpause zur Reflektion der Vorträge, bevor sich das ›Heidelberger Forum Geschäftsberichte‹ zum lockeren Austausch und köstlichen Dinner im altehrwürdigen Versammlungsraum des Hotels ›Weißer Bock‹ in der Heidelberger Altstadt wiedertraf. Am Abend teilte Prof. Grosse den Teilnehmer*innen mit, dass die Ära des Heidelberger Forums mit der aktuellen Tagung leider ihr Ende finde. Die Ressourcen des CCI seien für die Organisation und Durchführung von Tagungen nicht mehr auskömmlich. Die wissenschaftliche Arbeit rund um das Thema ›Reporting‹ würde selbstverständlich fortgeführt und die Ergebnisse der Bewertung veröffentlicht. Die Nachricht rief bei den Teilnehmer*innen großes Bedauern und intensive Diskussionen über eine mögliche Fortsetzung hervor. Diese mündeten schließlich in der Überlegung, das Forum unternehmensseitig fortzuführen. Frau Silvia Wiener von Papyrus Deutschland erklärte sich bereit, die Ideen zu koordinieren.
Tag 2: ›Best Practice Sharing‹ im intermedialen Reporting und die Nutzung und Bedeutung von ›Social Media‹
Der Corporate Responsibility Bericht von Merck
Merck berichtet seit 2003 nach den Vorgaben der Global-Reporting-Initiative (GRI) über Nachhaltigkeit, der CR-Bericht 2018 wurde unter Berücksichtigung des CSR-RUG und der SDGs (Sustainable Development Goals) veröffentlicht, wie Maria Schaad einleitet. Der CRBericht ist eingeschränkt geprüft. Die Veröffentlichung erfolgt online als interaktiver HTML-Bericht und steht als PDF zum Download zur Verfügung.
Die Erstellung des CR-Berichts hat rund zehn Monate (Juni – April) gedauert. Nach der Analyse der für Merck nach GRI / CSR-Anforderungen relevanten Themen wurden externe Erwartungen des Finanzmarkts und der NGOs ermittelt und mit Merck-eigenen Nachhaltigkeitsthemen abgeglichen. In den letzten vier Monaten bis zur Veröffentlichung wurden erforderliche Daten aktualisiert und der CR-Bericht durchlief die Prüfstufen im Unternehmen.
Bezüglich der SDGs konzentriert sich Merck auf drei Schwerpunktziele – Gesundheit und Wohlergehen, Hochwertige Bildung, Bezahlbare und saubere Energie – die zu anderen SDG-Zielen in Wechselwirkung stehen bzw. diese unterstützen, gleichermaßen aber auch die strategischen Tätigkeitsbereiche von Merck darstellen. Der Onlinebericht öffnet mit dem CEO-Brief sowie erstmals mit einem Video, er verweist auf wichtige Kennzahlen und den Nichtfinanziellen Bericht. Er gliedert sich nach Hauptthemen, die für professionelle Nutzer relevant sind. Prominent platziert ist der Magazinteil, der im Storytelling beispielhafte Nachhaltigkeitsprojekte vorstellt und auch spielerische Elemente aufweist. Auf einzelnen Themenseiten kann mithilfe eines Tag-Navigators jederzeit in andere Berichtselemente gewechselt werden, was gute Orientierung schafft.
Die gezielte interne und externe Kommunikation der CR-Inhalte erfolgt über mehrere Kanäle. Im Intranet werden Mitarbeiter durch Teaser auf der Startseite, die Präsentation von Hauptthemen oder von Einzelaspekten angesprochen. In der Außenwahrnehmung steht die Verbesserung der digitalen Reichweite im Vordergrund. Allein die Aufnahme von CR-Inhalten in den Newsletter für Stakeholder hat binnen vier Wochen 38.000 Impressions und 4.000 Seitenaufrufe ausgelöst. Bei den Social-Media-Aktivitäten legt Merck neben Twitter, Facebook und Instagram den Fokus insbesondere auf LinkedIn, da diese Plattform eine zielgruppenspezifische Ansprache (Targeting) – sei es nach Bildung, Interesse oder Arbeitsfeld – ermöglicht. Auf LinkedIn haben bezahlte CR-Kampagnen zu den Tätigkeitsfeldern von Merck 430.000 Impressions mit 3.200 Klicks erzielt. Als besonders wirksam für den Einsatz von Kampagnen hat sich der Publisher Outbrain erwiesen, wo aus drei platzierten Geschichten 77.000.000 Impressionen und 138.000 Klicks resultierten. Aus den genannten Aktivitäten ergaben sich bislang allerdings keine höheren Gesamtzahlen der Online-Aufrufe im Vergleich zum CR-Report aus dem Jahr 2017. Festzustellen sind jedoch deutliche Verschiebungen in den Aufrufen, vor allem stark gestiegene Zugriffe auf die US-Version des CR-Berichts.
Frau Schaad wies abschließend darauf hin, dass Interessengruppen und Anleger zunehmend Transparenz bei CR-Themen einfordern. Daher sieht Merck im CRReporting gute und ausbaufähige Möglichkeiten, über Geschäftsfelder ebenso wie das Engagement des Unternehmens für die positive gesellschaftliche Entwicklungen zu informieren.
Der BMW Group Geschäftsbericht
In der BMW Group ist der Geschäftsbericht ein Fixpunkt der Unternehmenskommunikation und der zentrale Anker der Unternehmenspublikationen, wie Christian Finkenzeller seinem Vortrag voranstellte. Der Geschäftsbericht habe in seinen medialen Ausprägungen eine Vorbildfunktion, denn er ist auch Leitmedium für viele andere Publikationen, wie den Nachhaltigkeitsbericht, aber auch für Publikationen in den weltweit mehr als 100 Ländern, in denen die BMW Group aktiv ist. Im Magazinteil erfolgt die Visualisierung der Equity Story der BMW Group.
Die hohe Bedeutung der Kommunikationsziele bedürfen im Kontext des Geschäftsberichts einer übergeordneten Zielformulierung. Wesentliche Voraussetzung ist dazu die Kenntnis der Bedürfnisse der relevanten Zielgruppen. Wer ist wann, wie und wo unterwegs. Gruppenbezogene Parameter wie Alter, Geschlecht und Interessen etc. seien für den Aufbau nutzerorientierter Inhaltsmodule unerlässlich. So können Nutzererwartungen adäquat abgebildet und zielgerichtet durch thematische Verdichtung und Reportagen angesprochen werden.
Der kommunikative Ansatz folgt der Unternehmensstrategie und wird nach zentralen Motiven – Design, Autonomous, Connectivity, Electrified und Services (System D+ACES) – strukturiert. Im Onlinebericht bilden die Reportagen das Herzstück der Präsentation. Beispielsweise wird in der Reportage ›Autonomous Driving Campus‹ gezeigt, dass es für die ›Meilensteine zukünftiger Mobilität‹ eine klare Strategie braucht sowie schnelles Lernen und Handeln erforderlich ist. Der Campus entwickelt durch seine gebündelte Kompetenz innovative Produkte und Services und pflegt neue Formen der Zusammenarbeit, mit flexiblen, hierarchiefreien Organisationsstrukturen und offener, agiler Arbeitsweise (Large Scale Scrum).
Der Geschäftsbericht der BMW Group werde als Printbericht mit taktilen Elementen, als Onlinebericht, als Online- PDF und über Social Media veröffentlicht. Wichtig sei, dass der Output bei der Konzepterstellung konsequent mitgedacht und geplant wird, bis hin zum Postingplan, was wann und wo platziert wird. Allen Veröffentlichungsformaten übergeordnet sei das Storytelling, bei dem der Mensch im Mittelpunkt stehe. Es wird ein besonderes Augenmerk auf die Bildsprache gelegt, da diese zentrale Botschaften vermittelt und folglich klar definiert sein müsse – der erste Eindruck muss ›sitzen‹.
Der Onlinebericht erlaube eine höhere Emotionalisierung. Neben Filmen und animierten, unternehmensspezifisch gestalteten Kennzahlen weise der Bericht sprachanimierte Funktionen auf, die sich am IPA, dem intelligenten persönlichen Assistenten, orientieren, der als besonderes Connectivity Feature im neuen BMW-3er eingeführt wurde. Er wird für die Navigation im Bericht eingesetzt, erläutert stimmlich die wesentlichen Neuerungen, die in den Reportagen gezeigt werden und vermittelt auf Wunsch Zusatzinformationen zu den vorgestellten Themen. Auch die Statements des CEO und des CFO werden mit eigener Stimme gesprochen. Summarized by Tags verlinkt mit konzernrelevanten Themen im Online-PDF.
Das Reporting über Social Media greift die relevanten Themen plakativ auf. Dazu werden einzelne Begriffe im Onlinebericht mit einem # versehen, um sie so auch im Social-Media-Kontext verwenden zu können. Informationen und Fakten für die Kernzielgruppe werden über LinkedIn und Twitter vermittelt, Informationen für den erweiterten Stakeholderkreis über Facebook und Instagram. Durch die Social- Media-Aktivitäten haben sich die Zugriffe auf den Onlinebericht in einem Jahr mehr als verdoppelt.
In der anschließenden Plenumsdiskussion wurde deutlich, dass das Reporting der BMW Group mit diesen abgestimmten Maßnahmen sehr erfolgreich unterwegs ist. Die ungewöhnlichen Audio-Vorträge des CEO und des CFO seien eine gute Möglichkeit der persönlichen Ansprache, ohne die Personen in ein ›Filmsetting‹ zwingen zu müssen.
Multimedia-Reporting: Der BASF-Bericht im Medienmix
Nach der Kaffeepause ging es mit Best Practice in der digitalen Berichterstattung weiter. Jennifer Moore-Braun stellte das ›Multimedia-Reporting – der BASF-Bericht im Medienmix‹ vor. BASF hat bereits 2007 entschieden, das Thema Nachhaltigkeit (nach GRI-Standards) in den Unternehmensbericht zu integrieren, was Vorreitercharakter hatte. So ist in Zeiten der Digitalisierung auch nicht überraschend, dass der BASF-Bericht 2018 erstmals durchgängig für die Online-Veröffentlichung konzipiert wurde.
Auch BASF hat – dem digitalen Tempo folgend, ist man geneigt, zu sagen, noch – Stakeholder, die einen Printbericht wünschen. In diesem Fall wird der PDFBericht ausgedruckt und wire-o-bind gebunden. Man könnte sagen, schlichter geht es nicht, was aber zu kurz gesprungen wäre, denn der PDF-Bericht von BASF ist herausragend. Das PDF ist das Leitformat des BASFReporting und nach den Regeln der Kunst verlinkt, interaktiv, somit nutzerfreundlich optimiert. Auch gestalterisch ist das PDF herausragend, sogar so gut, dass das ausgedruckte PDF bei der gestalterischen Bewertung der Print-Berichte noch im vorderen Feld der DAX 30- cci Tagung 12. Heidelberger Forum Geschäftsberichte 2019 | ›Change / Chance‹ Cci-News dezember 2019 | 21 Unternehmen landete. Was Prof. Grosse dann gezwungenermaßen zu dem Hinweis veranlasste, dass die Aufbereitung des PDFs für die Print-Nutzung – medienbedingt – viel zu wünschen übrig ließe, man sollte doch die gestalterische Wirkungskraft nicht unnötig verflachen.
Der Onlinebericht sieht auf den ersten Blick tatsächlich so aus wie das PDF, allerdings werden hier die selbstverständlich medienspezifischen Möglichkeiten durch interaktive Grafiken und animierte Videos genutzt. Wiedererkennungswert hatte die Grafik »how we create value« (im PDF verlinkt, online als interaktive Grafik mit animierten Videos), die bereits von Prof. Zülch als Positivbeispiel für die Darstellung nachhaltiger Unternehmenstätigkeit vorgestellt wurde. Außerdem sind Online-Imagestrecken im Magazinteil verfügbar.
BASF sieht sich in der stringenten Online-Umsetzung des Unternehmensberichts durch die Akzeptanz der Nutzer und steigende Reichweiten bestätigt. Von besonderer Bedeutung ist die erhöhte Präsenz im Netz durch Verlinkung der Online-Aktivitäten (Deep Linking). Im Ergebnis haben im Vergleich zum Vorjahresbericht sowohl Visits (74.771), Page Views (224.280) als auch Downloads (24.447) um rd. 50 % zugenommen. Die wichtigsten Seiten nach Klicks sind in Deutschland nach wie vor die Kennzahlen sowie die Gewinn- und Verlustrechnung.
Auf Social-Media-Plattformen werden Inhalte des BASF-Berichts und Einzelinformationen zielgruppenspezifisch promotet. Die große Bedeutung von Social Media wurde exemplarisch am Vorstandsvideo deutlich, wo die Einstellung des Videos auf den Plattformen rd. 300.000 Klicks zur Folge hatte, wohingegen im Onlinebericht gerade mal 4.700 Klicks gezählt wurden.
Auf eine Nachfrage zu den Abläufen der Berichtserstellung erläuterte Frau Moore-Braun, dass für das Berichtsjahr (Jan.– Dez.) die Rohfassung bis Weihnachten vorläge. Bis zur Veröffentlichung, Ende Februar, stünden somit noch knapp zwei Monate für die Endredaktion und die Abnahme durch den Vorstand zur Verfügung, was aus dem Publikum als ambitioniert gewürdigt wurde.
System Geschäftsbericht: Intermedialität der Berichterstattung und Social Media
Nach der Mittagspause stellte Prof. Gisela Grosse ausgewählte Ergebnisse aus der Studie ›System Geschäftsbericht – zur Intermedialität der Berichterstattung‹ aus dem CCI Lab vor.
Die Studie 2018 bringt einige Veränderungen in der Intermedialität des Reportings mit sich. Nach Auffassung der Befragten wird sich die Publikationslandschaft weiter hin zu digitalen Medien verschieben. Während 2014 dem gedruckten Geschäftsbericht noch eine große – auch zukünftige – Bedeutung beigemessen wurde, stimmen dem in der Befragung 2018 nur noch wenige Unternehmen zu. Vielmehr steigt in der Auffassung der Befragten die Bedeutung von Social Media für die Berichterstattung.
In der aktuellen Erhebung des CCI zum DAX 30 nutzen 24 der 30 Unternehmen Social-Media-Kanäle im Reporting, wobei Twitter und LinkedIn die am häufigsten genutzte Formate sind. Der Vortrag zeigte anhand von Beispielen, wie DAX 30-Unternehmen ›Reportingthemen‹ über Social Media distribuieren. Die Kommunikation über Social Media verdeutlicht auch die Herausforderungen der Multimedialität: die Verknüpfung von Bild, Bewegtbild und Animation.
Die Kommunikation über Bilder erfordert andere Kernkompetenzen als die Kommunikation über Text. Medienkompetenz erschöpft sich nicht darin, Medien anzuwenden, sondern es müssen Chancen und Möglichkeiten der einzelnen Medien verstanden und eingesetzt werden können. Traditionell finden sich in den Abteilungen der Unternehmenskommunikation und Investor Relation Experten mit einem textbasierten fachlichen Hintergrund; folglich hat sich der Beratungsbedarf der Unternehmen hin zu mehr Beratung im Multimedia- und Bewegtbildbereich entwickelt.
Unabhängig von der Wahl des Kommunikationskanals stehen die Unternehmen vor der ursprünglichen Aufgabe, ein in sich konsistentes und glaubwürdiges Selbstbild zu zeichnen, was in Anbetracht wachsender inhaltlicher Komplexität, multipler Kommunikationskanäle und erforderlicher neuer Kompetenzen nicht einfacher geworden ist.
Die Unternehmen können sich diesen Herausforderungen nicht entziehen. Dies gilt im Besonderen für die Berichtemacher, deren Aufgaben wachsen.
Vom Pull Reporting zum Push Reporting
In den vorausgehenden Vorträgen wurden Sachstände, Strategien und Entwicklungen der digitalen Berichterstattung von Unternehmen erläutert. Der letzte Vortrag von Dr. Eloy Barrantes fasst gewissermaßen die Herausforderungen der digitalen Berichterstattung zusammen und gibt einen Ausblick auf Potenziale.
Der Geschäftsbericht wird heute nicht mehr bestellt, versendet und ins Regal gestellt – Ausnahmen bestätigen die Regel –, sondern von den Unternehmen online und auf Social-Media-Plattformen promotet. Damit dies erfolgreich gelingt, müssen Suchmaschinen / Crawler die Informationen von Unternehmen auch finden. Dies gelingt umso schneller, je besser die Webseiten der Unternehmen verlinkt und je aktueller die Informationen sind. Das scheint schwieriger zu sein als gedacht, denn nach einer aktuellen Studie der Universität Wien (Vienna University of Economics and Business, 2019) kommunizieren gerade mal 37 % von 55 befragten Unternehmen ihren Geschäftsbericht aktiv und über mehrere Monate im Netz.
Es gibt sie offenbar noch zu häufig, diese Unternehmen, die ihren Geschäftsbericht in schlecht gestaltete und unverlinkte PDFs verpacken, wenig nutzerfreundlich irgendwo auf der Website zum Download parken, so als sei die Kommunikation im letzten Jahrhundert stecken geblieben. Dabei, das sollte angekommen sein, ist die Kommunikation Chefsache, und gerade der aufwendig erarbeitete Informationsgehalt der Unternehmensberichte wäre es wert, professionell kommuniziert zu werden – denn es handelt sich um originäre, geprüfte und detaillierte Informationen der Unternehmen, oft mit guten Geschichten verbunden. Dazu muss, wie wir gelernt haben, der CEO nicht zwingend in Videos auftreten, was ungelenk wirken kann, denn die Berichtemacher wissen die Stärken ihrer Chefs herauszustellen, es reicht durchaus, wenn sie nur reden. Wir haben positive Beispiele gehört, wie die digitale Kommunikation des Geschäftsberichts gelingen kann.
Barrantes bestätigte hierzu u. a. die Wirksamkeit des Deep Linking, das BASF eine hohe Präsenz im Netz sichert. Neben der Nutzung von Social Media, z. B. für das zielgruppengerechte Targeting auf LinkedIn, bestätigt er für Kampagnen das Publisher-Network Outbrain als besonders wirksam. Ein wichtiger Aspekt ist die Planung der digitalen Kommunikation als dauerhafte Aufgabe. Schon bei der Erstellung des Berichtes muss konzeptionell stringent berücksichtigt werden, welche Informationen wann und wo plaziert werden sollen (Timetable). Dies hat maßgeblichen Einfluss auf die medienspezifisch effektive Gestaltung und Umsetzung der Berichtsinhalte. Aus der Diskussion wurde deutlich, dass die Berichtemacher mit der unterjährigen Planung und Betreuung von Veröffentlichungen auch organisatorisch an Grenzen stoßen können, vor allem dann, wenn sie nicht direkt an die Unternehmenskommunikation angebunden sind. Dies aber sollte auf Dauer kein Hinderungsgrund sein. Push it.